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Kunst des Humors - Humor der Kunst.


Kunst des Humors - Humor der Kunst.

Beitrag zu einer fröhlichen Wissenschaft
1. Auflage

von: Gerhard Branstner

5,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: EPUB
Veröffentl.: 08.11.2022
ISBN/EAN: 9783965217744
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 115

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Was hat Sozialismus mit Humor zu tun? Oder umgekehrt gefragt, was hat Humor mit Sozialismus zu tun? Gibt es etwa einen sozialistischen Humor?
In seinem ursprünglich, Ende der 1950er Jahre als Dissertation verfassten und anschließend von einem halben Dutzend Professoren abgelehnten Buch, weicht Dr. phil. Branstner – die Dissertation wurde dann also doch noch angenommen – auch diesen Fragen nicht aus, sondern beantwortet sie gleichsam grundsätzlich. Er tut dies in dem Abschnitt „Wissenschaftlicher Humor“, worin unter anderem zu lesen ist:
Während die Gesetze der Natur sich ohne Zutun des Menschen verwirklichen, sind die Gesetze der Gesellschaft nicht nur an die Existenz des Menschen gebunden, sie realisieren sich nur über sein bewusstes Handeln, und speziell im Sozialismus über das auf der Kenntnis der Gesetze beruhende Handeln. Die volle Kenntnis der Gesetze schließt aber die Erkenntnis ein, dass mit ihrer Verwirklichung der Mensch sich selber verwirklicht. Erst jetzt werden sie von Gesetzen an sich zu Gesetzen für ihn; erst indem er die Gesetze als Mittel verwirklicht, verwirklicht er sich als Zweck, wird sich seines Wesens, Zweck zu sein, bewusst; erst jetzt ist er Subjekt, indem er sich bewusst als solches benimmt und als solches bestimmt. Damit realisiert er aber die inhaltliche Seite des Humors (die allerdings für sich, wie bereits nachgewiesen. noch kein Humor ist).
Jetzt findet auch die Frage nach der Verbreitung des Humors im Sozialismus ihre Antwort. Der Sozialismus selbst verlangt objektiv nach Humor, indem er die höchste Form der Verwirklichung der gesellschaftlichen Gesetzmäßigkeiten, ihre Handhabung als Mittel zum Zwecke des Menschen (also die Selbstbestätigung als historisches Subjekt) verlangt. Der freie Umgang mit der Wirklichkeit (begriffen als historische Souveränität) ist notwendige Bedingung des Sozialismus – aber damit nicht automatisch gegeben. Die historische Souveränität kann nur als in Wechselwirkung mit der gesellschaftlichen Entwicklung sich vollziehender geistiger Reifeprozess verstanden werden. Aber auch da gewinnen wir den Humor erst als Inhalt, noch nicht als Form, weshalb er auch noch nicht als Humor erscheint. Wie aber der Sozialismus objektive Bedingung des Humors ist, weil der Humor eine Bedingung des Sozialismus ist, so sind Inhalt und Form des Humors einander Bedingung, sodass wir eine unverkennbare Zunahme an Humor konstatieren können, sogar mehr, als manchem recht ist, wenn auch weniger, als objektiv möglich.
Vorsatz
Einleitung
Wirklicher und scheinbarer Humor
Humor und Fatalismus
Humor und Idealismus
Humor und Dekadenz
Utopismus und Realismus im Humor
Utopismus als Optimismus
Utopismus als Schranke des Humors
Wissenschaftlicher Humor
Humor und Komödie
Das Schöne als Maß der ästhetischen Erkenntnis
Der Widerspruch des Humors
Der Humor in der Gestaltung des Komischen
a) Die Technik des Kontrasts
b) Der Humor als „positive Figur“ und der Humor der positiven Figur
c) Der Humor des Publikums
Humor und Tragödie
Das Komische im Tragischen
Der Humor in der antiken griechischen Tragödie
Der Humor als Mittel der Modernisierung
Das Tragische als Negation der Negation
Der Humor des Publikums
Geboren am 25.Mai 1927 in Blankenhain/Thüringen, Volksschule, drei Jahre Verwaltungslehre.
1945 Soldat im 2. Weltkrieg, bis 1947 in amerikanischer, französischer und belgischer Kriegsgefangenschaft.
1949 – 1951 Abitur an der ABF Jena, 1951 bis 1956 Studium der Philosophie an der Humboldt-Universität Berlin, 1963 Promotion (Dr. Phil.).
1956 - 1962 Dozent an der Humboldt-Universität, 1962 – 1964 Lektor, 1966 - 1968 Cheflektor Eulenspiegelverlag/ Das Neue Berlin.
Ab 1968 freiberuflicher Schriftsteller.
2008 in Berlin verstorben.
Der Humor in der Gestaltung des Komischen
Wir erinnern daran, dass das Normale in dem Begriffe, den es gemeinhin hat, nicht Maßstab der ästhetischen Erkenntnis, also auch nicht der Erkenntnis des Komischen sein kann. Die künstlerische Darstellung hat demnach gerade hinsichtlich des Komischen eine Aufgabe darin, das durch die Gewohnheit zur Norm erhobene Normale infrage zu stellen. Das wird erreicht, wenn das Komische in seiner Darstellung den gewohnten Vorstellungsverbindungen entzogen und in entgegengesetzte gestellt wird. Speziell muss der Gewohnheit in ihrer Tendenz, die Quantität (das Normale) als Argument gegen die Ausnahme zu werten und dieser in einem komischen Konflikt von vornherein die Komik zuzuordnen, entgegengewirkt werden, denn oft genug ist nicht die Ausnahme, sondern das Normale, mit dem sie in Konflikt gerät, der komische Teil oder zumindest nicht unbeteiligt. Ebendieser Konstellation gibt Moliere Ausdruck, wenn er Alceste im „Misanthrop“ gerade dadurch zu einem Charakter werden lässt und ästhetische Anteilnahme verschafft, dass er ihn nicht schlechthin als komische Figur zeichnet, sondern ihn seiner Umgebung gegenüber (partiell) als im Recht erscheinen lässt, denn Alceste führt einen hartnäckigen Kampf gegen die Heuchelei, Unaufrichtigkeit und das leere Geschwätz der Menschen seines nächsten Umkreises. Die Differenziertheit dieser Gestalt verdeutlicht Moliere in einem Gespräch zwischen Alceste und Philinte. „Philinte (zu Alceste): … In Ihrem wilden Kampf mit Lug und Unnatur betrachtet man. Sie schon als komische Figur.“ Worauf Alceste erwidert: „Das ist mir grade recht! Das wollt ich ja erreichen! Das freut mich, denn ich seh darin ein gutes Zeichen! Ich würde IRR an mir, vor Schand müsst ich vergehn, würd ich von diesem Pack als Weiser angesehn.“
Dieser Dialog zeigt, dass die Komik Alcestes zum Teil der Komik seiner Umgebung geschuldet ist. Und die Umgebung wird in das ihr zukommende Unrecht gesetzt, indem Moliere dem Alceste gewisse moralische Qualitäten verleiht. Zugleich wird aber auch Alceste durch seine Einseitigkeit, seinen Totalitätsanspruch zur komischen Figur. Die vornehmliche Aufgabe des Komödiendichters ist es demnach, das fälschlicherweise als vernünftig Angesehene in seiner Komik und das fälschlicherweise als komisch Angesehene in seiner Vernünftigkeit zu zeigen.
Der Humor ist in seiner prinzipiellen Aversion gegen die Gewohnheit nun nicht nur ein Mittel, die Komik in ihren wirklichen Proportionen zu erkennen, er ist auch Mittel ihrer Gestaltung. Die Geschichte der komischen Genres zeigt uns eine Vielzahl von Möglichkeiten, den Gegenstand der Darstellung dem üblichen Aspekt zu entrücken. Wir wollen hier nur eine Möglichkeit näher beschreiben, nämlich die Erfindung einer der „Natur der Sache“ nicht entsprechenden Konstellation, um die Dinge in ein ungewohntes Licht zu setzen. Beispiele dafür finden wir genug. So ist Mark Twains „Yankee an König Artus’ Hof“ in eine Zeit verlegt, die mit derjenigen, in die ein Yankee hineingehört, kontrastiert, sodass sowohl die Komik des Yankees als auch die Mittelalterlichkeit des Feudalismus deutlicher werden. Eine ähnliche Wirkung der Technik des zeitlichen Kon- trasts sieht Hegel im „Don Quijote“, wenn er schreibt, dass der „Roman des Cervantes das Rittertum schon als eine Vergangenheit hinter sich hat, die daher nur als isolierte Einbildung und fantastische Verrücktheit in die reale Prosa und Gegenwart hineintreten kann, doch ihren großen und edlen Seiten nach nun auch ebenso sehr weiter über das zum Teil Täppische, Alberne, zum Teil Gesinnungslose und Untergeordnete dieser prosaischen Wirklichkeit hinausragt und die Mängel derselben lebendig vor Augen führt“. Ein anderes Beispiel geben Stendhal und Balzac, wenn sie den Sorel oder Rastignac in eine soziale Umgebung geraten lassen, in der sie „rechtens“ nicht zu Hause sind, um dadurch sowohl den Charakter des Helden sich deutlicher entfalten zu lassen als auch diese Umgebung „und die Mängel derselben lebendig vor Augen“ zu führen. Die Technik des Kon- trasts finden wir auch des Öfteren von Chaplin angewendet, indem er die Klassen, Konventionen der Schauplätze durcheinanderbringt, den „Charlie“ in eine Umgebung geraten lässt, die ihn nichts angeht.
Neben dieser Verkehrung der üblichen zeitlichen bzw. sozialen Verhältnisse finden wir vor allem bei Brecht die Verkehrung der üblichen Meinungen (nach dem Motto: mal sehen, ob nicht auch das Gegenteil stimmt). So wird in den Flüchtlingsgesprächen die nachteilige Meinung über Schlamperei verkehrt, indem sie auf ihre Vorteile hin untersucht wird (wodurch selbstredend die Schlamperei nicht schlechthin gerechtfertigt, sondern der Faschismus entlarvt und Möglichkeiten seiner Bekämpfung gezeigt werden sollen); so wird im „Kreidekreis“ üblichen Auffassungen am laufenden Band ihr Gegenstück präsentiert, angefangen von dem Streit um das Land bis zu den Richtersprüchen des Azdak. Dass Brecht diese Technik nicht nur hier, sondern auch im „Guten Menschen von Sezuan“, im „Schwejk“ und in anderen Werken angewandt hat, ist kein Zufall. Um das verständlich zu machen, muss die Effektivität der Technik des Kontrasts in ihrem Mechanismus erfasst werden.

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