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Im Land der Bogenschützen


Im Land der Bogenschützen

Reisebilder aus der Mongolischen Volksrepublik
1. Auflage

von: Kurt David

7,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: PDF
Veröffentl.: 03.05.2023
ISBN/EAN: 9783965219090
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 261

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Der Autor reist Anfang der 1960er Jahre durch die Mongolische Volksrepublik. Er ist auf der Suche nach Menschen und ihren Geschichten aus Vergangenheit und Gegenwart. Seine Suche beginnt in der TU 104. Er bereist die Hauptstadt Ulan Bator, die Steppe im Westen, die Wüste Gobi im Süden und das Altai-Gebirge. Überall begegnet man dem Deutschen mit großer Offenheit und Freundlichkeit. Fotos des Autors veranschaulichen den Text.
Ein kleines Lexikon am Ende vermittelt Wissenswertes über das Land.
Unterwegs
Von Zigaretten, Keksen und Waffeln
Irkutsker Geschichten, aber nicht im Theater
Gespräch über Fliegen
In der Hauptstadt
Der zweite Eindruck
Hauptstadt ohne Kneipen
Das Geheimnis der drei Hügel
Vor goldenen Göttern
Steppe im Westen
Welcome – in der Steppe
Der D-Zug-Herr und die Schlacht bei Liegnitz
Lämmer – Schafe – Hammel
Schweigende Erde
Vom Wunderwasser der heißen Quellen
Gobi im Süden
Dinosauriergespräche im Speisewagen
Wo Schwalben Nester bauen
Weißer Sand und rote Jawas
Tiefer ins Land
Wenn ein Mann Mann werden will
In den Bergen des Altai
Flug nach Westen – Gedanken im Norden
Im Tal der Reichen Wiege
Wo der Mais nicht wachsen dürfte
Wieder in der Hauptstadt
Finale in Dur und Moll
Kleines Lexikon
Geografische Lage
Geografische Gliederung
Klima
Einwohnerzahl der größten Städte
Die längsten Flüsse
Die höchsten Berge
Die größten Seen
Tier- und Pflanzenwelt
Industrie
Bergbau
Leichtindustrie
Landwirtschaft
Fischerei
Verkehr
Außenhandel
Währung
Staatsordnung
Verwaltung
Bevölkerung
Sozialwesen
Bildungswesen
Sprache
Religion
Geschichte
Literaturverzeichnis
Am 13. Juli 1924 in Reichenau in Sachsen geboren. Kurt David absolvierte nach dem Besuch der Handelsschule eine kaufmännische Ausbildung. Von 1942 bis 1945 nahm er als Soldat der Wehrmacht am Zweiten Weltkrieg teil. Von 1945 bis 1946 war er in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Den Plan einer Ausbildung zum Musiker musste er wegen einer Kriegsverwundung aufgeben. David gehörte vier Jahre der Volkspolizei der DDR an und war anschließend zwei Jahre lang Kreissekretär beim Kulturbund der DDR. Seit 1954 lebte er als freier Schriftsteller zuerst in Oberseifersdorf/Zittau, danach bis zu seinem Tod in Oybin. In den 1960er Jahren unternahm er mehrfach Reisen in die Mongolei und durch Polen. 1970 erhielt er den Alex-Wedding-Preis, 1973 den Nationalpreis, 1980 den Vaterländischen Verdienstorden und 1984 den Lion-Feuchtwanger-Preis. Er starb am 2. Februar 1994 in Görlitz.
Davids frühe Werke haben die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit unter dem Nationalsozialismus und im Zweiten Weltkrieg zum Thema. Es folgten Bände mit Reiseberichten. Den größten Teil in Davids Werk bilden die Kinder- und Jugendbücher, von denen vor allem der humoristische Band „Freitags wird gebadet“ in der DDR ein großer Publikumserfolg, auch in der Fassung als Fernsehserie, war. Eine weitere Facette in Davids Schaffen bilden historische Romane, die Themen aus der Geschichte der Mongolen behandeln. Außerdem schrieb David Biografien über die Komponisten Beethoven und Schubert.
Auf der Suche nach neuen Weideplätzen trafen eines Tages die auf immerwährende Wanderschaft angewiesenen Nomaden ein, bauten ihre Filzjurten auf den Sand und in die Hitze. Sturm und karges Leben schreckten sie nicht. Sie hatten sich ihre Heimat nicht aussuchen können.
Und wie anderenorts in der Welt spielten Kinder im Sand. Dazu war kein hölzernes Viereck nötig, und der Sand musste nicht von irgendwo hergeschleppt werden. Wo sie standen, standen sie auf Sand, wo sie saßen, saßen sie auf Sand, wo sie lagen, lagen sie auf Sand und wo sie starben, begrub man sie unter Sand. Der feine mehlige Staub entzündete Augen, verdarb Essen, hielt Tag und Nacht die Treue. So arm Erwachsene und Kinder waren, eins besaßen sie immer: Sand! Er schlich sich in Träume und Lieder.
Manchmal leuchteten plötzlich fettige schwarze Flecke auf. Gerade waren sie noch weiß gewesen, weiß wie das weite Sandmeer der Umgebung. Und bauten Kinder in diesem Sand, in dem fetten schwarzen Sand, Burgen und Berge, weil sie von dem einen wie anderen träumten und diese Dinge nur im Sand Wirklichkeit werden konnten, so geschah es, dass die Sonne diese Kinderbauten und Träume einstürzen ließ. Der Sand zerschmolz.
Die Geburtsstunde mongolischen Erdöls!
Das ist kein Märchen aus der Wüste Gobi.
Der Mann, der mir diese Geschichte erzählt, sitzt in einem beigefarbenen Leinenanzug vor mir. Er hat in diesem Sand gespielt und gelitten. Als Kind wusste er nicht, was die schwarzen Flecke bedeuteten. Heut ist er der Direktor des Erdölkombinats von Dsun-Bajan. Werk und Stadt entstanden in den vergangenen Jahren, liegen fünfzig Kilometer südlich Sajn-Schandas.
Es fällt mir schwer, das Wort „Helden“ niederzuschreiben, weil es in unserer Vergangenheit missbraucht wurde. Ganze Horden politischer Falschmünzer haben es besudelt und benutzen es heute noch als Aushängeschild ihrer schlechten Taten. Der sozialistischen Gesellschaftsordnung blieb es vorbehalten, diesem Wort neuen Glanz zu verleihen. Helden der Arbeit! – Dsun-Bajan ist ein Beispiel dafür.
In Europa würde dieses Städtchen kein Aufsehen erregen. Hier mutet es wie ein Märchen an. Herrliche, meist einstöckige Häuser stehen auf diesem Sand. Ein Griff an den Hahn, und du hast fließendes Wasser. Du hast auch ein gekacheltes Bad, du kannst dich duschen, und im Bad ist auch das, wovon du nicht gern sprichst, aber was du hier in anderen Dörfern in Form von Bretterbuden vorfindest, die von dir immer einen langen Anmarschweg verlangen. Du kannst ins Kino oder Theater gehen. Ein großes, modern eingerichtetes Krankenhaus, ein Sportplatz und Kindergärten sind vorhanden. In Läden wird dir alles angeboten, was du zu einem angenehmen Leben benötigst. Du wirst die Kinder sehen, die im Sand zur Schule waten, aber nicht barfüßig; der Sand ist viel zu heiß. Und weil es überhaupt so heiß ist, möchtest du gern ein Schwimmbad. Bitte! Auch das gibt es in der wasserarmen Gobi. In Dsun-Bajan bauten sich Erdölarbeiter ein schönes großes Bassin. Sowjetische Freunde halfen ihnen dabei; es ist eins der ersten Bäder in der Mongolei. Es fehlt weder an Sprungbrettern noch an einem Sprungturm. Hunderte kleine Düsen, die um das Becken geordnet sind, sprühen wie Springbrunnen frisches Wasser in das Bassin. Und ein Bademeister ist da, dessen Hose fast bis über die Knie reicht, der darüber wacht, dass keiner ungeduscht in das Bad steigt. Er trägt einen großen breitkrempigen Strohhut, den er auch manchmal im Wasser nicht absetzt, wenn er seine Runde schwimmt. Wie eine treibende Sonnenblume sieht er dann im Schwimmbecken aus.
In den Mittagsstunden steht die Luft still. Du wagst kaum zu atmen. Der Sand wirft die Hitze zurück. Fünfundvierzig Grad im Schatten, wobei du dir aber viel Mühe machen musst, willst du mittags einen Schatten finden. Die Straßen sind menschenleer, die Fenster geschlossen und mit blauen Tüchern verhängt. Die Stadt sieht aus, als seien alle Bewohner geflüchtet. Auch das Schwimmbad ist geschlossen. Mensch und Tier haben sich verkrochen. Die Sonne quält unbarmherzig. Mittags wird nur geflüstert, gehaucht, gestöhnt, geseufzt. Die Menschen wirken müde und zerschlagen. Und dann bist du auch mit der Hitze allein, hast Zeit, darüber nachzudenken, unter welchen Qualen Stadt und Werk geschaffen wurden.
Am späten Nachmittag kommen deine Gastgeber und stehen wie auferstanden vor dir. Der Tag, der am frühen Morgen begonnen, am Mittag abgebrochen wurde, wird nun fortgesetzt.
Das ist auch der Arbeitsrhythmus in den heißen Tagen im Erdölkombinat. Der Direktor führt uns zu dem vor der Stadt gelegenen Werk, in dem von fünftausend Einwohnern eintausend arbeiten. Große weiße Tanks, die auf hohen Stahlbeinen stehen, leuchten in der Sonne. Hinter dem Werk ragt ein Wald von Bohrtürmen in den wolkenlosen Himmel. Aus einer Tiefe von achthundert bis zwölfhundert Metern wird das Ol hochgepumpt. In unterirdischen Leitungen strömt es in das Werk. Einer der Gräben ist aufgebrochen: Reparatur. Das Hauptleitungsrohr umgeben viele kleinere Rohre.
„Die Heizung für den Winter“, erklärt mir der Direktor. „Heut fünfundvierzig Grad plus – im Winter fünfundvierzig Grad minus!“ Er lacht, als lache er die Tücken der Natur aus. Schwarze, ölverschmierte Hände legen den kleineren Rohren einen neuen weißen Verband an, die Isolierung. Ein gutes, sonnverbranntes Jungengesicht sieht mich an.
Ich frage, wie alt er ist.
„Siebzehn!“
Und wie viel er verdient.
„Vierhundertfünfzig Tughrik.“
Was er mit dem Geld macht.
„Mein Vater schafft es auf die Sparkasse!“
Worauf er spart.
„Auf eine JAWA!“ Mir war schon aufgefallen, dass dieses rotfarbige tschechoslowakische Motorrad auch hier in der Gobi eine Heimat gefunden hat.
Vierhundertfünfzig Tughrik sind viel Geld. Dafür kann man sich ein Radio „Staßfurt“ kaufen. Neunhundert kostet ein Moped aus unserem Suhl; drei ein paar Socken; fünfundsiebzig ein Gewehr; neunzig ein Paar Stiefel. Für einen Trockenrasierapparat, Schweizer Fabrikat, zahlt man fünfundachtzig Tughrik.
Im Schaltraum des Elektrizitätswerks bedient eine Frau Hebel und Knöpfchen, überwacht Diagrammschreiber und Messuhren, sitzt an einem Pult und notiert Zahlen. Von ihrer Arbeit ist nichts Außergewöhnliches zu berichten. Der Schaltraum sieht aus wie alle Schalträume. Doch die Frau lässt uns nicht gehen, ohne uns vor die Tür geführt zu haben.

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