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Die stumme Braut


Die stumme Braut

Erzählung
1. Auflage

von: Renate Krüger

7,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: EPUB
Veröffentl.: 30.06.2014
ISBN/EAN: 9783863943165
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 217

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Die Erzählung führt den Leser unmittelbar ins spätmittelalterliche Mecklenburg am Vorabend der Reformation mit seinen farbigen Anschauungen, differenzierten Lebensformen und folgenreichen Konflikten. Die Fabel kreist um den Sternberger Judenpogrom, der im Jahr der Entdeckung Amerikas stattfand, dem 27 Menschen zum Opfer fielen und der schließlich dazu führte, dass Mecklenburg „judenfrei“ gemacht wurde. Der Leser erhält Einblicke in das Schicksal historischer und erfundener Personen. Da ist die niederländische Begine Dorothea van der Gheenst, die vom mittelalterlichen Mantelrecht der Frau Gebrauch macht und damit der schönen Chane das Leben rettet. Da ist der Sternberger Priester Peter Däne, der aus reiner Habgier den in Sternberg lebenden Juden geweihte Hostien überlässt und dafür, wie die jüdischen Mitangeklagten, vom herzoglichen Gericht zum Tode verurteilt und auf dem Scheiterhaufen vor den Stadttoren verbrannt wird, Opfer des sozialen und geistigen Umbruchs. Da kämpft der Emporkömmling Jürgen Kruse gegen den seherisch begabten Maler Henning Schnytker. Da ist vor allem die Jüdin Chane, an deren Hochzeitstag das Verhängnis seinen Lauf nahm und sie so stark traf, dass sie Erinnerung und Sprache verlor.
In die Handlung führt eine Pilgerfahrt nach Santiago del Compostela ein. Andere Handlungsorte sind Wismar, vor allem die Georgenkirche, sowie Rostock, Sternberg und das Antoniterhospital Tempzin, in dem die vom tödlichen „Antoniusfeuer“ Befallenen letzte Zuflucht finden. Die vor allem von Frauen getragene Handlung ist eingebettet in zeitgenössische Frömmigkeitsformen, Magie, soziale Konflikte, Politik und Zukunftsvisionen.
Die Erzählung ist geeignet, den Lesern wesentliche Bereiche des mecklenburgischen mittelalterlichen Erbes neu zu erschließen und auf Anfangspunkte weitreichender Konflikte hinzuweisen. Somit erhält sie auch einen aktuellen Bezug.

INHALT:
Die Mantelfrau
Der verpfändete Grapen
Das Glockenspiel
Die Mantelfrau
Der verpfändete Grapen
Das Glockenspiel
Geboren 1934 in Spremberg/Niederlausitz. Seit 1939 in Schwerin ansässig.
Studium der Kunstgeschichte und klassischen Archäologie in Rostock.
Tätigkeit am Staatlichen Museum Schwerin. 1965 Verlust des Arbeitsplatzes aus politischen Gründen, seither freiberuflich als Publizistin und Schriftstellerin tätig:
Sachbücher (Die Kunst der Synagoge 1966, Das Zeitalter der Empfindsamkeit 1972, Biedermeier 1979, Spurensuche in Mecklenburg 1999, Aufbruch aus Mecklenburg. Die Welt der Gertrud von le Fort, 2000),
Belletristik (Licht auf dunklem Grund, Rembrandt-Roman, 1967, Der Tanz von Avignon, Holbein-Roman 1969, Saat und Ernte des Joseph Fabisiak, 1969, Nürnberger Tand 1974, Malt, Hände, malt, Cranach-Roman 1975, Jenseits von Ninive, 1975, Aus Morgen und Abend der Tag, Runge-Roman, 1977, Wolfgang Amadés Erben, 1979, Türme am Horizont, Notke-Roman 1982, Die stumme Braut, 2001, Paradiesgärtlein, 2008),
Jugendbücher (Geisterstunde in Sanssouci, Menzel-Erzählung 1980, Das Männleinlaufen, Alt-Nürnberger Geschichte 1983, Des Königs Musikant, Erzählung über Carl Philipp Emanuel Bach 1985).
Nach 1989 Mitarbeit am Aufbau der parlamentarischen Demokratie in Mecklenburg-Vorpommern, Archivarbeiten.
Mit dem Vierschornsteinhaus für Bartholomäus Lembcke in Rostock war es nichts geworden, denn Herzog Magnus war zu der Meinung gekommen, Lembcke hätte sich nicht genug für die fürstliche Sache eingesetzt, sondern sei vor allem seinen eigenen Interessen gefolgt. Eine jüdische Büchersammlung, Professor der hebräischen Sprache - welch ausgefallene Ideen! Dafür konnte er keine besonderen herzoglichen Privilegien erwarten oder gar fordern.
Als in Sternberg Fragen laut wurden, ob die Juden denn wirklich ein so hartes Schicksal verdient hätten, ließ der Herzog das Haus, in dem Lembcke die Bücher und die weniger wertvollen Kultgegenstände zusammengetragen hatte, kurzerhand in Brand setzen, und die Redereien verstummten.
Lembcke kehrte in sein Studierstübchen an der Rostocker Jakobikirche zurück, fand dort aber keine Ruhe und Muße zum Studium mehr. Das Verhalten des Herzogs hatte ihn enttäuscht. Die Professoren ließen keine Möglichkeit vorübergehen, ihn als dahergelaufenen Herzogsgünstling an den Pranger zu stellen, ihn zu demütigen und zu verleumden. Als sie erfuhren, dass der Herzog für Lembcke nichts mehr übrig hatte, wurde es noch schlimmer. Die Studenten mieden den Doktor. Trotz bescheidenster Lebensführung fand er sein Auskommen nicht mehr.
Als er einem der Fraterherren, der auch an der Universität unterrichtete, seine Schwierigkeiten schilderte, empfahl der ihm, Rostock und die Universität aufzugeben und sich in der Stadt Wismar niederzulassen. Er habe gehört, dass der dortige Rat einen Schreiber suche. Es gäbe in Wismar genug Kaufleute und Schiffseigner, die für Schreiber- und Juristendienste etwas springen ließen. Mit großer Wissenschaft habe das freilich wenig zu tun, aber der Broterwerb sei nun einmal wichtiger. Der Doktor solle in Wismar die Verwandte des Fraterherrn, die Begine Dorothea van der Gheenst, aufsuchen, die werde ihm schon weiterhelfen.
Es fiel Bartholomäus Lembcke ganz und gar nicht leicht, Abschied von seinen wissenschaftlichen Träumen zu nehmen, aber er war nüchtern und weltklug genug, um sich nicht an Träume zu verlieren. Was er von seinen Habseligkeiten selbst tragen konnte, nahm er mit auf den Fußweg nach Wismar. Bücher und Schriften ließ er in der Obhut des Fraterherrn, der sie beim nächsten Besuch seiner Verwandten mitbringen wollte.
Es zeigte sich schon bald, dass Bartholomäus Lembcke mit seiner Umsiedlung nach Wismar die richtige Entscheidung getroffen hatte. Er konnte die Arbeit, die man ihm anbot, kaum schaffen, und mit den Wismarer Kaufleuten und Schiffseignern ließ sich viel besser auskommen als mit den Rostocker Professoren. Sie waren nüchtern und konnten rechnen. Wenn man gut plante, arbeitete und rechnete, zeigte sich das Ergebnis als handfeste Summe aus großen und kleinen Münzen, und Lembckes Anteil konnte genau bestimmt werden und war nicht nur von Wohlwollen oder Missgunst seiner Auftraggeber abhängig.
Er kam schnell zu einem kleinen Überschuss und dann zu wachsenden Ersparnissen. Allmählich wuchs die Aussicht, dass Lembcke das kleine Haus, das ihm der Wismarer Rat zugewiesen hatte, zu seinem Eigentum machen könnte. Und seine Gedanken wagten sich noch weiter in die Zukunft: er wollte heiraten und einen eigenen Hausstand begründen. Und er wollte auf den Tag hinarbeiten, an dem er selbst einen Ratsherrenstuhl einnehmen würde.
Der größte Gewinn erwuchs ihm daraus, dass er dem Wismarer Rat unentbehrlich wurde, weil er sich mit den jüdischen Gepflogenheiten auskannte. Man hatte sich nämlich der herzoglichen Anordnung, alle Juden aus der Stadt auszuweisen, gebeugt, nicht so sehr im Gehorsam gegen den Landesherrn, sondern mehr in Hinsicht der vielen Vorteile, die man selbst davon hatte.
Man achtete streng darauf, dass alles nach Recht und Gesetz ablief. Taufe oder Ausweisung - das war doch sehr großzügig! Und wie eindringlich hatte man auf die angesehenen und reichen Juden eingeredet, sich doch nicht durch Verstocktheit und Starrsinn ins eigene Unglück zu stürzen und sich taufen zu lassen! Aber sie hatten es nicht anders gewollt und die Ausweisung gewählt.
Sie durften mitnehmen, was sie von der Stelle bewegen konnten, und schleppten mehr, als sie zu tragen vermochten. Noch lange sprachen die Leute vom weggeworfenen Judenschatz, der hier und da den Weg säumte, den sie gegangen waren. Was sie zurückließen, wurde genauestens inspiziert, verzeichnet, geschätzt, berechnet und an treue Hände zur Verwaltung übergeben.
Diesen Bereich konnte man sich ohne Doktor Bartholomäus Lembcke gar nicht mehr vorstellen. Hier kam Vermögen zusammen, hier häufte sich Reichtum an, hier floss Geld. Auf jüdisches Gerät und jüdische Bücher legte kaum jemand Wert, und Lembcke fühlte sich nicht im Unrecht, wenn er solche Dinge auf die Seite legte und auf dem Dachboden seines Hauses unterbrachte. So hatte er doch wieder eine eigene Schriftensammlung. Irgendwann würde er Zeit finden, seine hebräischen Studien fortzusetzen.

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