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Die Entführung


Die Entführung

Zwei Erzählungen
1. Auflage

von: Wolfgang Schreyer

7,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: EPUB
Veröffentl.: 25.05.2012
ISBN/EAN: 9783863941055
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 297

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Zwei Eigenschaften zeichnen die Texte von Wolfgang Schreyer aus: er schreibt immer abenteuerlich und spannend, sie fesseln den Leser. Und Schreyer schreibt immer politisch und auf der Grundlage gut und präzise recherchierter Fakten. Das gilt auch für diese beiden Texte, die sich mit sozialen Kämpfen in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in Lateinamerika und in Portugal befassen.
In der ersten der beiden Erzählungen, die in Uruguay spielt, stellt sich zunächst der Erzähler vor, der eine Niederlage erlitten hat. Sein Vater, von dem er sich losgesagt hat, ist übrigens ein Armee-Oberst und steht auf der anderen Seite:
Jetzt will ich alles, was passiert ist, aufschreiben, und zwar ohne es zu glätten oder Wesentliches wegzulassen; sonst würde es wertlos. Ich schreibe in meiner Stenografie, die außer mir niemand lesen kann. Der Bursche, den mein Vater mir ans Bett gesetzt hat, damit er mich vor Mördern schützt, nimmt den Text immer mit, wenn er abgelöst wird. Er ist dem Oberst ganz ergeben, ich riskiere also den Verlust der Blätter nicht.
Bisher hab ich über die Erfahrungen unseres Kampfes, über meine Haltung zur Partei – in den Meinungsverschiedenheiten der Leitung – Vertrauliches nie zu Papier gebracht. Dazu war keine Zeit, auch schien mir, es könnte schaden. (Aus Furcht, unserer Sache zu schaden, schaden wir unserer Sache.) Aber nun, bis zur Brust in Gips, bleibt mir nichts anderes übrig. Na ja, ihr werdet sehen, wie schön es ist, Theoretiker zu sein! Denken ist Leben, für mich jetzt Medizin; und die Analyse von Niederlagen kann genauso befriedigen wie die von Siegen.

Die zweite Erzählung „Die Durststrecke“ spielt etwa ein Jahrzehnt später im Nach-Nelkenrevolution-Portugal Ende 1975: Der Brunnenbau-Ingenieur Luís Branco, der den trockenen Alentejo bewässern hilft, bekommt Schwierigkeiten mit den Menschen, denen er doch helfen will – armen Bauern, die Angst um ihr Wasser haben:
Sie taten so, als lauschten sie, bereit, seinen Erguss taktvoll zu überhören, ihm zu erlauben, das Gesicht zu wahren. Er wollte es kurz machen, ihre Höflichkeit nicht ausnutzen, aber nun brach es doch aus ihm heraus: „Ich bin ja nicht bloß Ingenieur, der seine Arbeit tun möchte, sondern auch Portugiese, der das Volk achtet und sein Bestes will. Deshalb sehe ich in diesem Boykott mehr als den Irrtum, den Schaden und Verlust. Dieser Boykott ist nämlich auch ein Kind der Revolution – Teil des demokratischen Kampfes auf dem Lande; eine Aktion, die mich trotz allem stolz macht.“
Die Entführung
Die Durststrecke
Wolfgang Schreyer, geboren 1927 in Magdeburg. Oberschule, Flakhelfer, Soldat, US-Kriegsgefangenschaft bis 1946. Debütierte mit dem Kriminalroman "Großgarage Südwest" (1952), seitdem freischaffend, lebt in Ahrenshoop. 1956 erhielt er den Heinrich-Mann-Preis für den Kriegsroman "Unternehmen Thunderstorm". Schreyer zählt zu den produktivsten und erfolgreichsten Autoren spannender Unterhaltungsliteratur in der DDR, schrieb Sachbücher, Szenarien für Funk und mehr als zwanzig Romane mit einer Gesamtauflage von 6 Millionen Exemplaren.
Ich schlug ihm vor, zum "Unfallort" zurückzufahren, wo sich sein Vorwurf als haltlos erweisen werde. Er jedoch wollte mich zur Aufnahme des "Tatbestands der Fahrerflucht" mit ins nächste Revier nehmen. Notgedrungen stimmte ich zu, nun wirklich zur Flucht entschlossen. Denn mir fiel ein, dass in dieser Polizeistation ein verbrecherischer Spitzel saß, der durchaus imstande war, mich zu identifizieren. Der Summton wurde schrill, drohte mir den Kopf zu sprengen; Kälteschauer überliefen mich. Der Polizist stieg zu, ich wendete, gab Gas und warf mich aus dem Auto, das einen Lichtmast rammte. Zurück blieb meine Kollegmappe mit verschlüsselter Korrespondenz – und freilich auch der Handgranate, ohne die ich kaum aus dem Haus ging.
Ich lief so schnell ich konnte, bog um die Ecke, dann in die 9. Straße; dort fing ich an, normal zu gehen. Aber als ich auf den Bus springen wollte, schloss sich vor mir die Tür! Im selben Moment griff man mich hinterrücks an, schlug mich mit einem Beutel, in dem Flaschen klirrten, dann stand der Polizist vor mir. Wir prügelten uns, keiner wurde mit dem anderen fertig, da trat er zurück und schoss. Mit einem Satz warf ich mich auf ihn, riss ihn um, doch auf einmal gaben meine Beine nach, auch ich lag auf dem Asphalt, den Revolver des Polizisten in der Hand... Und er wich keuchend aus, geduckt, vage erinnere ich mich, dass er zu den Umstehenden sagte: "Mein Gott, ich hatte keine Ahnung, wer das ist."
Ich konnte die Beine nicht mehr rühren und wusste, dies war das Ende, meine letzte Aktion. Was wird aus dir, fragte ich mich – Kohl, Muschel oder Rauch? Denn mir war klar, ich würde das Los der 28 Genossen teilen, und so begann ich schon, den Mord des Regimes an mir lauthals anzuklagen, indem ich meinen Namen rief. "Seht, ich lebe", schrie ich den Schaulustigen zu, die einen dichten Kreis um mich bildeten. "Ich bin René, Guerillero der FAR, und lebe..."
Ringsum Gesichter, ich spürte Neugier, Nervosität und Anteilnahme, ja den Wunsch, mir zu helfen, sah sie ratlos und begriff, wie wenig wir getan hatten, die Massen für den Volkskrieg zu gewinnen. Ich kroch vorwärts, ohne die Pistole loszulassen, wollte ein Auto nehmen, fühlte mich frei und war doch schon umzingelt von Polizisten, Geheimdienstlern, Militär, Streifenwagen und Ambulanzen, Pflegern, Ärzten... Ein Priester entwand mir die Waffe mit dem Versprechen, mich ins Krankenhaus zu begleiten. Die ganze Zeit blieb ich bei Bewusstsein, lag da, diesen irren Ton im Kopf.

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