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Der Zug der Blinden


Der Zug der Blinden


1. Auflage

von: Peter Löw

7,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: EPUB
Veröffentl.: 09.01.2014
ISBN/EAN: 9783863943035
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 235

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Schäfer, der alkoholkranke Baubrigadier, macht sich auf eine Grenzerfahrung hin auf Sinnsuche. In den Konflikten der DDR-Endzeit dennoch suchtrückfällig geworden, fällt: sein zerstörerischer Angriff auf die Werkausstellung Maler Janssens, in der er sich als sozialistischer Arbeiter-Sieger dargestellt findet, mit den »Wir-sind-das-Volk«-Rufen der sich erhebenden Massen zusammen. Von den Vorgängen betroffen alle Romanfiguren, die in widersprüchlichem Beziehungsgeflecht noch ansässig sind im großstädtischen Rekonstruktions-Wohngebiet Brühl. Ein Neues steht nur bevor: der Aufbruch in eine andere Welt. - Eine Fata Morgana des Überflusses lockt den Zug der Blinden in Janssens gleichnamigen Tafelbild an. Werden die Leute vom Brühl im Neuen auch mit Herzen und Seelen ankommen?

LESEPROBE:
Er wollte lesen und konnte sich nicht konzentrieren. Mit dem Gedruckten vermengten sich ihm Gesichter: die Bekannten vom Brühl. Das der Didoni und Schäfers waren darunter. In einem Gedankenblitz legte er das Buch beiseite. In einem Einfall, für den er sich auch schon entschied. Ihm wurde verübelt und vorgehalten - noch hörte er Elviera Schäfer mit »Bedenkliches« malerisch quasi abgeurteilt zu haben; also wollte er ihn als den gestalten, den die Gesellschaft, besser ihre selbst ernannten Repräsentanten wünschten und wahrhaben wollten: als den sozialistischen Musterarbeiter! - Nein, hielt er entgegen: Es passte nicht zu dem Fresko, wie er es wollte: frei von Parteiideologie. Indes, dachte er weiter: Er konnte solchen jenen Muster - Schäfer gesondert kreieren - so wie auch andere des Metiers ihren Arbeitsheroen ins bildnerische Dasein verhalfen - von in Öl bis Guasche - und dafür Preise einheimsten. Warum sollte nicht auch er s auf der Schiene noch einmal versuchen! Zumal als sich so, kam's ihm ein, vielleicht auch noch der Schäfer versöhnen und trösten ließ, der mit seinen eigenen Malambitionen, den unglaublichen, von ihm verprellt worden war.
Noch einmal zog der Abend durch seinen Geist. Als er den andern im Malraum sitzen sah, dachte er zunächst in falsche Richtung. Damals im Café beim Klaren hatte er ihn eingeladen gehabt - wenngleich nicht in den Zirkel -; jetzt also, folgerte er, war der doch noch gekommen - woher übrigens wusste er, ihn hier zu treffen?! Was er nicht begriffen hatte war Schäfers Bestürzung - eine die anhielt, bis Kießling meinte, sie einander vorstellen zu müssen.
Peter Löw
Geboren 1941 in Mittweida/Sachsen, drei Kinder, lebt in Mittweida.
Fernmeldebaumonteur und Hobby-Schreiber, Kurzprosa in der Presse und Mitarbeit in einem Zirkel Schreibender, verantwortlicher Redakteur der Monatszeitschrift "PODIUM" in Karl-Marx-Stadt.
Studium am Literaturinstitut in Leipzig, Leiter zweier Zirkel Schreibender, Kulturpolitischer Mitarbeiter in Hainichen.
Pressesprecher und persönlicher Referent des Landkreises Mittweida, Sicherheitsmitarbeiter und Eigen-Verleger.
Bibliografie:
Erzählungen und Kurzgeschichten in Zeitschriften, z. B. in "Temperamente"
Hörspiele für den DDR-Rundfunk, z. B. "Das Duell" (3. Preis eines DDR-Kurzhörspielwettbewerbs), "Bilanz im Kneipenkeller" (verfilmt)
Der Schwarze Jäger aus Sachsen, Berlin 1983
Krell - im Sog der Macht, Mittweida 2002
Der Zug der Blinden, Mittweida 2005
Er wollte lesen und konnte sich nicht konzentrieren. Mit dem Gedruckten vermengten sich ihm Gesichter: die Bekannten vom Brühl. Das der Didoni und Schäfers waren darunter. In einem Gedankenblitz legte er das Buch beiseite. In einem Einfall, für den er sich auch schon entschied. Ihm wurde verübelt und vorgehalten - noch hörte er Elviera Schäfer mit »Bedenkliches« malerisch quasi abgeurteilt zu haben; also wollte er ihn als den gestalten, den die Gesellschaft, besser ihre selbst ernannten Repräsentanten wünschten und wahrhaben wollten: als den sozialistischen Musterarbeiter! - Nein, hielt er entgegen: Es passte nicht zu dem Fresko, wie er es wollte: frei von Parteiideologie. Indes, dachte er weiter: Er konnte solchen jenen Muster - Schäfer gesondert kreieren - so wie auch andere des Metiers ihren Arbeitsheroen ins bildnerische Dasein verhalfen - von in Öl bis Guasche - und dafür Preise einheimsten. Warum sollte nicht auch er s auf der Schiene noch einmal versuchen! Zumal als sich so, kam's ihm ein, vielleicht auch noch der Schäfer versöhnen und trösten ließ, der mit seinen eigenen Malambitionen, den unglaublichen, von ihm verprellt worden war.
Noch einmal zog der Abend durch seinen Geist. Als er den andern im Malraum sitzen sah, dachte er zunächst in falsche Richtung. Damals im Café beim Klaren hatte er ihn eingeladen gehabt - wenngleich nicht in den Zirkel -; jetzt also, folgerte er, war der doch noch gekommen - woher übrigens wusste er, ihn hier zu treffen?! Was er nicht begriffen hatte war Schäfers Bestürzung - eine die anhielt, bis Kießling meinte, sie einander vorstellen zu müssen.
Ungläubig hörte er nachher, was jener erklärte. Es hatte mit dem zu tun, was er von Linda schon wusste: mit Magenleiden und -durchbruch - wodurch es mit ihm »auf Kippe« gestanden habe: Nun, »ein besserer Invalide«, habe er viel überflüssige Zeit.
Janssen blieb baff. Der Ex-Bauarbeiter, bloß darum war er hier?! Er fasste es nicht! Oder war's möglich, dass er sich - wahrhaftig, er schien was in der Mappe zu haben! - zu Pinseleien hatte hinreißen lassen?! - »Darf man was fragen?«, hob er endlich an. »Bist du - oder hat dich jemand dazu - ich mein, hierher zu kommen - gebracht?«
Schäfer verneinte: »Bloß so ein Einfall.«

Nachher nahm Janssen die Schäfer'schen Produkte in Augenschein. Fast war er entsetzt. Er hatte mit Ernstzunehmendem nicht gerechnet; ein Soviel an Kläglichkeit aber, es war ihm bislang hier im Zirkel nicht vorgekommen. Verlegen sah er von einer der kolorierten Nichtigkeiten - die zu kritisieren sich erübrigte - zur anderen.
»Meine ersten Versuche«, bemerkte kleinlaut der Schöpfer.
Blieben es doch auch deine letzten, dachte Janssen. - Er verzichtete auf Redensarten. Sein Grundsatz war, von vornherein zu entmutigen, wo gestalterische Absicht talentlos war. - Es handle sich hier mehr um Entwürfe, suchte er schonend begreiflich zu machen - um etwas also, das sich schwer beurteilen lasse.
Schäfer stand da wie geschlagen und sah auf sein Bildwerk nieder.
Da er nicht weiterwusste, schlug Janssen ihm vor, sich anzusehen, wie und was »hier« gearbeitet werde - wobei er vermied, es klingen zu lassen, als käme Mittun infrage. Zugleich spekulierte er, dass der andre beim Hinschaun vollends kapieren werde.
Der war eine Weile umhergepilgert und hatte über die Schultern gepeilt, dann war er plötzlich verschwunden gewesen. Sieht tatsächlich aus, hatte Janssen ihm hinterhergedacht, als wärst du ziemlich herunter. Dabei an dessen kunsterziehende Gattin erinnert, glaubte er plötzlich klar zu sehen. Klar, dachte er, das ist es und war's! Deine sozialistisch-pädagogische Ehehälfte hat dich ins Stümpern per Stift und Pinsel und dich damit uns in die Fänge getrieben, nichts sonst! Wie du gestellt bist - oder auch durchhängst! -, wird, es dir einzuhusten, endlich gelungen sein. - Armer Mensch, dachte er, und arme Kunsterziehung im Nachtrab von Bitterfeld (Bitterfelder Konferenzen: proklamierten ab Ende der 1950-er Jahre ein Kunstschaffen mit dem und über den sozialistischen Werktätigen bzw. die sozialistische Arbeit), dich so ins Boxhorn zu jagen. -
Nachher hatte ihm gedämmert, wie viel der andre vielleicht auf sein Versuchen, das infantile, gesetzt haben mochte, und ihm war etwas unbehaglich geworden.
Obwohl er sich Gefühlsduselei vorwarf, er empfand so noch immer. Es trug zu seinem Beschluss bei, Schäfer auf noch andere Art gleichsam zu entschädigen. Er wollte es tun, indem er auch ihn in dem Fresko verewigte - ihn als den Vertreter seiner Klasse. Schäfer würde ihn auch dafür nicht küssen, bei sich jedoch, glaubte er, gebauchmiezelt sein.

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