Details

Der Mann mit den vielen Namen


Der Mann mit den vielen Namen

Roman um Conrad Blenkle
1. Auflage

von: Heinz Kruschel

8,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: EPUB
Veröffentl.: 25.10.2014
ISBN/EAN: 9783956551185
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 379

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Conrad Blenkle an sein Kind:
„Ich muß von Dir scheiden, lebe wohl!
Ich habe den letzten Nachmittag verlebt und gehe dem Ende ruhig entgegen. Als Kämpfer habe ich gelebt und werde als Kämpfer sterben. Für eine Idee eintreten zu können, ist eine große, ehrenvolle Sache. Das gibt mir Kraft bis zum letzten.
Du bist der Mensch, der mir am nächsten steht. Deine Liebe und Verehrung waren für mich das Wertvollste. Wenn ich mein Leben rückschauend betrachte und Bilanz ziehe, so kann ich im großen und ganzen zufrieden sein. Aber auch ich war ein Mensch mit Schwächen und Fehlern. Trotz alledem weiß ich, dass mein Leben wertvoll war und ich Nützliches geleistet habe.
Meine letzte Mahnung an Dich ist:
Handle immer verantwortungsbewusst, arbeite unablässig an Deiner Vervollkommnung, schone Dich nie, wenn es um Großes geht und Du Dich einsetzen musst!
Lebe wohl und denke immer an
Deinen Dich innig liebenden Vater.“
Wer war Blenkle? Wer kennt ihn heute noch? Warum über ihn schreiben? Das fragt sich Kalle Kortum, dem man gesagt hat, dass er ein Buch über den Mann schreiben soll, von dem er nur weiß, was im Lexikon steht. Aber die Aufgabe, so unlösbar sie zu sein scheint, lässt ihm keine Ruhe. Je mehr Material er sichtet, je öfter er Menschen befragt, die Blenkle kannten, um so deutlicher ersteht vor ihm das Bild eines Mannes, der Leidenschaft und Mut, Klugheit und Konsequenz in einer Zeit bewies, als die Menschlichkeit mit Füßen getreten wurde, der viele Namen annahm, um sich zu verbergen, und der doch immer er selbst blieb. Kalle Kortum sagt sich: Du musst es schaffen, die Gestalt dieses Mannes lebendig werden zu lassen, du musst das Wesen dieses Mannes ergründen.
Frederiks, Portret van een man, 1936
Hvis illegale navn var Thorvald, 1941
Conrads Tag im Jahre 1943
Heinz Kruschel, 1929–2011, Sohn eines Bergmanns und späteren kaufmännischen Angestellten der Staßfurter Salzbergwerke, entging nur knapp dem für seine Generation typischen Schicksal, im finalen Aufgebot der letzten Kriegstage - dem "Volkssturm" - verheizt zu werden.
Noch ehe er seine Modelltischlerlehre beendet hatte, beschloss die Partei, in die er jung eingetreten war, dass er Neulehrer zu werden habe, und ließ ihn 1949/50 am Lehrerbildungsinstitut in Staßfurt studieren. Anschließend war er Lehrer in Sandersdorf - den Schülern jeweils ein Kapitel im Lehrbuch voraus -, danach in Magdeburg und Egeln sowie Direktor einer Erweiterten Oberschule in Havelberg.
Nach einem berufsbegleitenden Fernstudium der Germanistik war er Journalist und Kulturredakteur bei der "Volksstimme" in Magdeburg. Ab 1963 lebte er als freier Schriftsteller in Magdeburg, bereiste im Auftrag von Illustrierten wie der "Für dich" Ungarn, Bulgarien, Usbekistan und Kuba und schrieb zahlreiche Erzählungen und Romane für Jugendliche und Erwachsene.
Sein Roman "Das Mädchen Ann und der Soldat" wurde 25 Jahre lang immer wieder neu aufgelegt, während Bücher wie "Der Mann mit den vielen Namen" oder "Leben. Nicht allein" erst nach erbitterten Auseinandersetzungen mit jenen Behörden, die Literatur zu genehmigen hatten, erscheinen durften.
Sein Roman "Gesucht wird die freundliche Welt", der als erster in der DDR das Thema des Umgangs mit straffällig gewordenen Jugendlichen thematisierte, wurde 1978 von Erwin Stranka unter dem Titel "Sabine Wulff" verfilmt.
Auszeichnungen:
Erich-Weinert-Preis der Stadt Magdeburg
Theodor-Körner-Preis
Banner der Arbeit
Literaturpreis des FDGB
Vaterländischer Verdienstorden
Ejner sagte leise zu ihr: „Unterhalte dich mit ihnen, ich muss zusehen, was sich machen lässt.“
Magda ging zu Klitgaard, der am Fenster stand und auf die sauber geschichteten Holzscheite im Hof starrte, als verberge sich darunter der Gesuchte, und fragte ihn, ob er den neuen Film über Pat und Patachon gesehen habe, sie fragte ihn klopfenden Herzens und traf mit ihrer Frage genau den Geschmack des Mannes, denn er lachte auf und wandte sich um.
„Natürlich, Ehrensache, besonders die Szene mit den kleinen Ballettratten, ach, Pardon, mein Fräulein, ich muss sagen ...“ Und Klitgaard begann, viel zu sagen.
Magda sah, wie Ejner leise das Wohnzimmer verließ. Dann aber hörte sie einen lauten Ruf vom Hof her. Klitgaard zog die Gardine so heftig zurück, dass sie von der Schiene rutschte, und riss das Fenster auf.
Für Magda schwankte in diesem Moment das Zimmer mit dem hochlehnigen Sofa, dem Vertiko mit der chinesischen Vase darauf, dem schweren runden Tisch, dem abgewetzten Ledersessel, dem Ofen, das Zimmer pendelte frei in der Luft wie eine Schaukel eines Riesenrades. Alles ist aus, dachte Magda, sie haben unten im Hof noch einen Mann, und der hat Fritz gefasst, denn Fritz ist oft quer über den Hof gekommen. Sie zitterte vor Anspannung, und in ihren Ohren vermengten sich die Stimmen, sie schloss die Augen. Die Stimmen aber blieben laut, grell und fremd.
„Der Mann wollte das Haus über den Hof verlassen, passt ihr denn oben nicht auf? Trinkt Kaffee, was?“
„Sie machen sich verdächtig, Mann, das habt ihr euch geschickt ausgedacht, doch nicht geschickt genug.“
„Ich wollte die Asche hinuntertragen, weiter nichts.“
„Er hat einen Zettel in den Briefkasten gesteckt!“
„So? Sie schreiben sich wohl selber Briefe? Gib mal her.“
„Es steht nichts darauf, der Zettel ist unbeschrieben, nicht ein Buchstabe.“
„Das ist euer Zeichen, wie?“
„Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Der Briefkasten schließt schlecht, wenn wir zu Hause sind, legen wir ein Blatt Papier hinein, dann weiß der Postbote, dass wir da sind, und er kann die Post abgeben, das ist schon alles.“
„Lassen Sie doch die Mätzchen, Mann, Ihre Geschichten sind nicht spaßig genug.“
„Er soll endlich wieder hinter das Holz gehen, dem ist es wohl zu kalt da unten.“
„Du kannst ihn ja ablösen.“
„Was ist das für lauter Streit? Sind diese Männer noch immer da, was ist denn nur geschehen?“
„Gehen Sie wieder ins Schlafzimmer zurück.“
„Bitte, Magda, kümmere dich um Mutter, Magda, hörst du nicht?“
Magda riss die Augen auf. Klitgaard stand neben ihr, immer noch, der Blonde hielt Ejner am Arm, nichts war weiter geschehen. Fritz war nicht gekommen. Ejner hatte versucht, ihn zu warnen, Ejner ist mutig, ein Däne will einen Deutschen vor den Dänen warnen, was ist das für eine Zeit. „Ja“, sagte sie, „ich gehe schon, komm bitte, Mutter, beruhige dich doch, ich bitte dich, ich werde dir noch ein paar Tropfen geben.“ Im Hof unten bellte ein Hund. Nichts ist vorüber, dachte Magda, während sie die Mutter wieder in ihr Zimmer zurückführte, es steht uns noch bevor. Der Hund bellte noch einige Male, dann war Ruhe, auch im Wohnzimmer. Die Polizisten hatten ihre Posten wieder bezogen. Nun würden sie Ejner nicht mehr aus den Augen lassen. Und in diesem Augenblick fiel ihr eine Möglichkeit ein, eine Chance, eine winzige Chance: Von der Küche führte noch eine versteckte Treppe hinunter in den Hof, auf diese Treppe müsste sie Fritz aufmerksam machen. Oder kannte er sie schon? Aber besser wäre es, er würde heute nicht kommen, dachte sie, warum auch sollte er gerade heute kommen, nachdem er wochenlang weggeblieben ist ...
Thorvald bewegte sich durch die Stadt auf das stille, gediegene Österbro zu; dabei wählte er nicht den kürzesten Weg, denn er hatte Zeit und versuchte, konzentriert zu denken, daran war er gewöhnt, das hatte er oft getan. Aber es gab äußere Einflüsse, die seine Gedanken störten. Kam er an einem Bäcker vorbei, hob er die Nase, witterte den Duft, sein Magen rebellierte, aber er stellte fest, was das für ein Brot war, das da gebacken wurde, er konnte es, er war ein Bäcker, und er liebte das Brot. Das letzte Mal hatte er in Holgers kleinem Frühstücksrestaurant draußen in Nyjhavn Brot gegessen, genau an dem Tag, als er Hiob entdeckt hatte. Holgers Restaurant gehörte nicht zu seinen Essensstellen, zu Holger ging man einfach, wenn es gar keine andere Möglichkeit gab, Holger half immer. Sie hatten beide an einem kleinen Tisch gesessen, neben dem gardinenbewehrten Fenster, von dem aus die Mole und die Straße zu sehen waren, und Holger hatte ihm, ohne zu fragen, Kaffee und Kuchenbrot gebracht und gesagt: „Von euch habe ich lange keinen mehr gesehen.“
„Das hat seinen Grund, Holger, ihr meidet uns auch.“
„Ich nicht, Thorvald.“
„Du nicht, aber deine Genossen, und ich kann sie verstehen, sie müssen so denken. Aber es steht mir nicht zu, einem Genossen den Stempel des Verräters aufzudrücken, wenn noch nichts erwiesen ist, das mögen andere tun.“
Holger sah zu, wie Thorvald das Brot brach, wie er langsam und genussvoll aß, und meinte, dass die Verhafteten aber gesprochen haben müssten, dänische Genossen wären in den letzten Wochen verhaftet worden. Verhaftet von der dänischen Polizei, dahinter aber verbarg sich doch die Gestapoleitstelle der Deutschen.
Was war geschehen in diesen Wochen und Monaten? Im Mai noch war die Leitung komplett, im Mai aber tauchte dieser Kurier aus dem Reich auf, er wusste die Losung, er kannte Verbindungen und Namen. Und auffällig war er: brandrote Haare, ein kleiner Mensch, ein Gnom fast, warum schickte die Zentrale einen so auffälligen Mann zu ihnen?
Man solle das nicht tragisch beurteilen, sagte Wiatrek, der Mann werde schon in Ordnung sein, die Zentrale könne sich die Genossen nicht auch noch nach Größe und Haarfarbe aussuchen. Ich werde den Mann prüfen, hatte Wiatrek gesagt, und Helms hatte der Leitung einen Plan vorgeschlagen: Ein Mann sollte zum nächsten Treff gehen, den Treff würden sie beobachten. Wiatrek übernahm die Aufgabe selbst, er setzte sich durch, gegen Thorvalds Einspruch („Das kann ein Genosse von der Abwehr übernehmen!“) und gegen Curts wiederholte Behauptung, der Mann sei ein Agent, das sei für ihn so klar wie das Amen in der Kirche. Nein, hatte Wiatrek gesagt, das dauert mir zu lange, ich will selber und schnell Gewissheit haben, ihr macht mich verrückt mit euren ängstlichen Verdächtigungen, wir kommen nicht mehr zur Arbeit, weil wir zu vielen Genossen schon misstrauen.

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