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Das Schloss an der Nebel


Das Schloss an der Nebel

Historische Erzählungen über das Güstrower Schloss
1. Auflage

von: Brigitte Birnbaum

4,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: PDF
Veröffentl.: 08.06.2012
ISBN/EAN: 9783863945374
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 77

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Das Schloss an der Nebel – gemeint ist das Schloss in Güstrow. Die Stadt liegt am Fluss Nebel. Und Brigitte Birnbaum erzählt aus der Geschichte dieses Bauwerks, dieses Fürstlichen Hauses, indem sie Menschen aus früheren Zeiten auftreten lässt, denn mehr als die Baugeschichte interessieren die Autorin immer wieder vor allem Menschengeschichten:
„Wie ein Wachsoldat pendle ich vor dem Torhaus hin und her. Ist das eine Art, mich lauern zu lassen? Da hätte ich mich auch mit Wallenstein oder dem Herzog Ulrich verabreden können. Die Herren wären ebenso wenig erschienen.
Und wenn? Ja, wenn! Was hätte ich dann gesagt? Wie müsste ich ihn ansprechen, den Herzog Ulrich zu Mecklenburg? Mindestens wohl mit „Von Gottes Gnaden Durchlauchtigster hochgeborener Fürst zu Wenden, Graf zu Schwerin, der Lande Rostock und Stargard Herr“. Hätte er sich überhaupt ansprechen lassen? Von mir? Mitten auf der hölzernen Fallbrücke, die mit Ketten auf- und zugemacht wurde? Seine Leibgarde würde es mir schon gezeigt haben. Mit llsabe wär ich ins Gespräch gekommen, mit ihr bestimmt. Wenn ihr zum Schwatzen auch selten Zeit bleibt.
Eben hat sie die Borsten aus dem gebrühten Ferkel puhlen müssen, und es liegen noch ein halbes Dutzend geschlachteter Hühner zum Rupfen.“
So lernen Leserinnen und Leser nicht nur das elfjährige Wendenmädchen llsabe kennen, sondern auch den Bruder des Baumeisters Franz Parr, den Bildschneider Christoph Parr, und dessen beide Gesellen, und sogar Herzog Ulrich höchstpersönlich, aber auch – allerdings ein halbes Jahrhundert später – Jochim, den erst zwölfjährigen Füerböter, der sich um die fürstlichen Öfen und Kamine kümmert, und außerdem General Albrecht Wenzel Eusebius von Wallenstein, den vom Kaiser neu ernannten Herzog der beiden Mecklenburg.
Und weiter geht es durch die Geschichte Mecklenburgs und durch die des Güstrower Schlosses, die Brigitte Birnbaum immer anhand von Menschenschicksalen erzählt – vor allem anhand des Schicksals einfacher und zumeist junger Menschen - Kinder, Mädchen und Jungen, die ansonsten wohl in der Geschichtsschreibung kaum eine Rolle spielen. Oder haben Sie schon mal von Ilsabe und Jochim aus dem Schloss an der Nebel gehört?
Brigitte Birnbaum
Geboren 1938 in Elbing/Westpr., 1945 Flucht über Berlin nach Mecklenburg, Abitur, Ausbildung als Apothekenhelferin, Studium am Institut für Literatur in Leipzig (Diplom), Antiquarbuchhändlerin.
Seit 1968 freischaffende Schriftstellerin in Schwerin. Seit 1969 Mitglied im Schriftstellerverband der DDR, seit 1974 Mitglied im Bezirksvorstand, seit 1978 Mitglied im Vorstand des DSV. Nach seiner Auflösung Mitglied des VS/IG Medien, 2001 ausgetreten.
Sie lebte von 1960 bis 2003 in Schwerin, seit 2003 in Hamburg, seit 2013 wieder in Schwerin..
Auszeichnungen:
1977: Fritz-Reuter-Preis des Bezirkes Schwerin
1985: Kunstpreis der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft
Bibliographie:
Bert, der Einzelgänger, Der Kinderbuchverlag, Berlin 1962
Reise in den August, Der Kinderbuchverlag, Berlin 1967
Leute von Karvenbruch (Mitautorin am Szenarium), DFF 1968
Tigertod, Fernsehfilm für Kinder, DFF 1969
Pawlucha, Fernsehfilm für Kinder, DFF 1970
Nur ein Spaß, Fernsehfilm für Kinder, DFF 1971
Der Hund mit dem Zeugnis, Der Kinderbuchverlag, Berlin 1971
Wer ist Fräulein Papendiek?, Fernsehfilm für Kinder, DFF 1972
Tintarolo. Ein Buch für Kinder über Käthe Kollwitz, Der Kinderbuchverlag, Berlin 1975, Tallinn 1980, Berlin-West 1981
Winter ohne Vater, Der Kinderbuchverlag, Berlin 1977
Ab morgen werd ich Künstler, Kinderbuch über Heinrich Zille, Berlin 1978, Tallinn 1987, Berlin-West 1986
Alexander in Zarskoje, Kinderbuch über Alexander Puschkin, Der Kinderbuchverlag, Berlin 1980
Löwen an der Ufertreppe, Der Kinderbuchverlag, Berlin 1981
Das Siebentagebuch, Der Kinderbuchverlag, Berlin 1985
Kathusch, Jugendbuch über Käthe Kollwitz, Der Kinderbuchverlag, Berlin 1986
Fragen Sie doch Melanie!, Der Kinderbuchverlag, Berlin 1987
Von einem, der auszog, neue Eltern zu suchen, Der Kinderbuchverlag, Berlin 1989
Der Maler aus der Ostbahnstraße, Jugendbuch über Hans und Lea Grundig, Der Kinderbuchverlag, Berlin 1990
Das Schloss an der Nebel, Erzählung, Landesverlags- und Druckgesellschaft mbH Mecklenburg & Co. KG, Schwerin 1991
Spaziergänge durch Güstrow, Ein Stadtführer, Verlag Reinhard Thon, Schwerin 1992
Welche Stadt hat schon 7 Seen? in: Kleine Bettlektüre für liebenswürdige Schweriner, Scherz Verlag, Berlin/München/Wien 1993
Wider die kleinen Mörder, Kiro-Verlag, Schwedt 1994
Fontane in Mecklenburg, Demmler Verlag, Schwerin 1994
Ernst Barlach. Annäherungen, Demmler Verlag, Schwerin 1996
Noch lange kein Sommer, Verlag Reinhard Thon, Schwerin 1998
„Seid ihr gehorsam, dürft ihr am Sonntag eure Eltern sehen. Wenn nicht", er beugt sich zu Maria hinab, „Widerspenstige landen nach einer Tracht Prügel im Turm. Ohne Brot. Bei Wasser. Habt ihr mich verstanden?"
Vor Schreck kneift Maria die Augen zu. Sie will diesen grässlichen Soldaten nicht sehen und diese Kammer nicht, in die er sie stößt.
Geräuschvoll zieht Bastian erneut die Nase hoch. Am liebsten würde er dem Kerl vor die Füße spucken. Es würde sich lohnen. Aber bessern würde es für ihn nichts. „Habt ihr mich verstanden?"
Bastian sieht den Frager an. „Warum dürfen wir nicht bei Vadding und Mudding schlafen? Zu Hause schliefen wir immer alle in einem Bett."
„Das könnte euch passen! Hier herrscht Ordnung!" Und von der Frau in schwarzen Witwenkleidern verlangt er, ständig ein Auge auf dem Bengel zu haben. „Er hat so was Aufrührerisches im Blick."
Die Wärterin verspricht, auf den Neuen besonders aufzupassen. Beim Schein einer Laterne weist sie Bastian einen Platz neben den schon im Stroh auf den Dielen liegenden Jungen an und Maria eine freie Stelle nahe der Tür. Jedem teilt sie eine Decke zu und fordert Ruhe. Auch Flüstern ist bei Strafe verboten.
Lautlos weint Maria. Wo mögen Vadding und Mudding sein? Warum muss sie hier liegen und der Bruder auf der anderen Seite? Maria friert. Die Decke ist dünn und feucht, und von der Tür her zieht es. Zu allem Unglück bemerkt sie, dass einer ihrer unteren Zähne wackelt. Am liebsten möchte sie sterben.
Bastian hebt den Kopf. Ein paar Zentimeter nur. Aber er hebt ihn. Um nach der kleinen Schwester zu sehen. Er fühlt, sie weint. Wenn die Wärterin auf ihrem Wachposten schläft, wird er zu Maria kriechen, sie trösten und wärmen. Bastian ist vor der Wärterin eingeschlafen. Barsch weckt sie am anderen Morgen die Kinder, noch bevor es richtig hell ist. Jedes erhält einen Napf warme Suppe, und dann führt sie die Mädchen und Jungen, mit Maria und Bastian sind es neun zerlumpte Knirpse, über dunkle Treppen und Gänge weiter hinauf in einen großen Raum, wo sie ein Aufseher in Empfang nimmt. Vom Hof dringen Stimmen hinauf. Maria horcht nach Vadding und Mudding, wagt aber nicht, dicht an den Fenstern vorbei zu gehen oder gar hinab zu sehen. Ihr wird schwindelig. So hoch stand sie noch nie über der Erde.
Bastian schaut sich neugierig um, betrachtet die Reste früheren Glanzes, die ausgeblichenen runden und viereckigen Umrisse von Spiegeln und Gemälden auf den rußgeschwärzten Tapeten. Der Fußboden ist aus glatten, schmalen Brettchen zusammengefügt. Bastian zögert, ihn zu betreten. Sicher die gute Stube vom Herzog, denkt er, warum der wohl wegzog.
Hier müssen die Kinder Wolle zupfen. Stumm, mit gesenktem Blick, ohne sich offen miteinander zu verständigen, mühen sie sich. Hinter ihren Rücken schreitet der Aufseher auf und ab, einen Stock in der Hand. Der Mann wirkt gar nicht böse. Er lächelt sogar freundlich. Um so mehr erschreckt Maria, als der Junge neben Bastian mit einem Schlag auf die Schulter vermahnt wird: „Dös nich!" Maria schwitzt vor Anstrengung. Fusseln bleiben an ihren feuchten Fingern kleben. Sie muss niesen. Der Aufseher verharrt hinter ihr. Wenn er doch bloß weiterginge! Um sich Mut zu machen, fängt sie leise an zu singen, ein Lied, mit dem Mudding sie manchmal getröstet hatte: „Heile, heile Säägen, dree Dag' Räägen, dree Dag' Sünnenschien, morgen ward't bäter sien..."
„Hier wird nicht gesungen!", schreit der Aufseher, stürzt sich auf die Kleine und verprügelt sie grausam. Bastian fällt ihm in den Arm, wird zur Seite geschleudert und bekommt anschließend seinen Teil. „Ein für alle Mal! In diesem Hause wird gearbeitet und nicht gesungen! Verstanden? Gearbeitet!" Jedes Wort ein Stockhieb. Es macht ihm Spaß, den Kindern weh zu tun, sie zu quälen. Er ist der Stärkere.
Die übrigen Kinder reagieren nicht. Sie starren vor sich hin und bewegen emsig die Finger. Erst während der Mittagspause flüstert der neben Bastian Sitzende: „Dämlack! Was mischt du dich ein!"
„Se is min Schwesting."
„Wenn schon. Nu darfste sonntags nich Vadder und Mudder sehen."

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