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Bonjour citoyen


Bonjour citoyen

Roman um Georg Büchner
1. Auflage

von: Ulrich Völkel

7,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: PDF
Veröffentl.: 05.10.2015
ISBN/EAN: 9783956555299
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 306

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Im Frühjahr 1988 fährt der Dramatiker Lukas Stadl, DDR, mit dem Zug nach Darmstadt. Das Hessische Staatstheater hat ihn eingeladen, ein Stück über Georg Büchner zu schreiben,das zu dessen 200. Todestag in Darmstadt uraufgeführt werden soll.
„Merkwürdigerweise“, beginnt Ulrich Völkels Roman, „fragte sich Lukas Stadl erst jetzt, da er die Landesgrenze überfuhr, warum ausgerechnet ihm das HESSISCHE STAATSTHEATER in Darmstadt den Vorschlag gemacht hat, ein Stück über Georg Büchner zu schreiben; ihm, keinem Autor aus dem eigenen Stall, keinem bundesdeutschen Dramatiker, sondern einem, wie man dortzulande umschrieb ostdeutschen oder verbindlicher mitteldeutschen Autor.
Die Recherche zu Büchner in Darmstadt, Straßburg und Zürich gerät sehr schnell zu einer Auseinandersetzung Lukas Stadls mit sich selbst und seinem Land, aus dem er kommt und dem er sich - freilich mit Abstrichen - verbunden fühlt. Denn es gärt nicht nur in der DDR der zweiten Hälfte der 80er Jahre, es rumort vor allem in dem manchmal recht selbstbewussten, mitunter nassforschen Dichter, der sich mit Ironie und Zynismus gegen seine wachsenden Zweifel wehrt. Der Schlüsselsatz des Romans ist die Frage, die Lukas Stadl sich und seiner Frau Johanna stellt: „Was geschieht mit uns, was geschieht mit unserem Land?“
Als er von seiner Reise zurückkommt, ist er ein anderer. Und das Land, sein Land, wie er sich noch immer einredet, verändert sich auf dramatische Weise.
Der Roman trägt durchaus autobiografische Züge und ist auch insofern eine Auseindersetzung mit der jüngeren Geschichte, wie sie viele Menschen in der DDR durchlebt und durchlitten haben. Eine fertige, gar eilfertige Antwort bleibt aus. Der Leser ist gefragt.
Ulrich Völkel
1940 in Plauen/Vogtland geboren, Abitur 1959, danach zwei Jahre Militärdienst (NVA).
1961 Praktikum am Theater Putbus, 1962 Kulturreferent der Stadt Saßnitz, Leiter des Stadtkabinetts für Kulturarbeit in Schwerin
1963/65 Studium, Institut für Literatur „Johannes R. Becher“, Leipzig
1966 Oberreferent beim Rat des Bezirkes Schwerin, Abteilung Kultur, 1967/69 Dramaturg und Regieassistent am Staatstheater Schwerin
1969/71 künstlerischer Mitarbeiter des Generalintendanten am Volkstheater Rostock
Seit 1971 freier Schriftsteller, Herausgeber und Lektor, 1993 Gründung des RhinoVerlages (verkauft: 2006), seit 2013 Cheflektor im Eckhaus-Verlag Weimar
Seit November 2001 in Weimar ansässig
Autor, Mitverfasser oder Herausgeber von ca. 60 Büchern
Verheiratet, zwei Kinder.
Stadl wechselte die Szene. Die Wohnung Weidigs in Butzbach. Der Mann sitzt am Sekretär und arbeitet, als die beiden Besucher kommen. Er ist überrascht, dass ihm Becker, den er kennt, einen Fremden ins Haus bringt. Er mustert den jungen Mann schnell. Er ist zufrieden.
„Na, du alter Schnorrer, kommst du wegen einer warmen Suppe? Sollst du haben. Wie geht es in Gießen?“
„Die braven Bürger sind damit beschäftigt, ihre Kinder zu verhauen und ihre Weiber zu schwängern.“
Weidig lachte. „Letzteres muss ja nicht das Ärgste sein.“ Dann wandte er sich an Georg Büchner. „Und Sie, junger Freund?“
„Sein Liebchen hockt in Straßburg und weint sich die Augen aus“, parierte Becker. „Deshalb will er sich die Zeit mit dem Verfassen einer Flugschrift vertreiben.“
Weidig war sofort hellhörig. „Eine Flugschrift? Worum soll es dabei gehen?“
„Man muss die Dinge beim Namen nennen. Nur die materiellen Bedürfnisse der großen Massen führen eine notwendige Änderung herbei, also müssen wir die Massen auf eine durchgreifende Art für die Revolution gewinnen, was vor der Hand nur durch Flugschriften und konspirative Zirkel geschehen kann.“
Es ist Beckers Aussage, rief sich Stadl ins Gedächtnis, nicht original Büchnertext, vier Jahre später und vor Gericht gemacht. Er wollte genau bleiben.
Weidig betrachtete ihn nachdenklich. Schließlich sagte er: „Die Bauern glauben an Gott im Himmel. Man muss sie lehren, an Gott im Menschen zu glauben.“
„Les prolétaires savent très bien que l‘avenir social est dans le peuple“, zitierte Büchner.
„Und nicht nur mit Wort und Schrift ist zu kämpfen, sondern mit dem Eisen in der Hand auch. Denn eine Flugschrift“, sagte Weidig, „muss ihre Überzeugungsgründe aus der Religion des Volkes nehmen und in den einfachen Bildern des Neuen Testamentes die heiligen Rechte der Menschen erklären.“
Büchner widersprach entschieden. „Das Verhältnis zwischen Armen und Reichen ist das einzige revolutionäre Element in der Welt, der Hunger allein kann die Freiheitsgöttin sein und nur ein Moses, der uns die sieben ägyptischen Plagen ...“
„Zehn“, korrigierte Weidig freundlich. „Es sind zehn Plagen. 2. Buch Mose, 7 und 14. Entschuldigen Sie den Schulmeister.“
„... ägyptischen Plagen auf den Hals schickt, könnte ein Messias werden.“
„Ich denke“, meldete sich Becker endlich zu Wort, der die ganze Zeit geschwiegen hatte, um zu beobachten, wie die beiden sich aneinander rieben und einander forderten, „das Volk hat keine Ursache, seine Unterdrücker zu hassen. Sie sollen beide die gesellschaftliche Ordnung verfluchen und zertrümmern, die sie in ein so falsches und unmenschliches Verhältnis gebracht hat. Sie sind alle schuldig und unschuldig, je wie man es nimmt.“
Das kann er nur ironisch gemeint haben, sagte sich Stadl. War es nicht überhaupt ein Zitat, das er benutzte, um seine eigentliche Philosophie zu begründen, die darin bestand, alles in die Luft zu sprengen, um das Chaos wiederherzustellen, die einzige Ordnung, an die August Becker wirklich glaubte? Büchner ging auf die Bemerkung nicht ein.

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