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Big City Rap


Big City Rap


1. Auflage

von: Maria Seidemann

6,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: EPUB
Veröffentl.: 31.08.2012
ISBN/EAN: 9783863947903
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 152

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

„Klee vertreibt den Nebel“. Was ist denn das für ein komischer Satz? Klee vertreibt den Nebel. So hatte Abel, der am 4. Juli gerade seine neunte Klasse beendet hatte, ein Bild genannt, das seine Mom gemalt und ihm geschenkt hatte. Darauf waren verschwimmende Farbflächen zu sehen und er nahm es mit in sein Zimmer und stellte es dort auf sein Regal.
Allerdings hat Abel ein Problem, denn in seinem Zeugnis steht: „Nicht versetzt.“, und damit würde er im nächsten Schuljahr auch nicht mehr neben Silly in der Klasse sitzen.
Zunächst einmal trifft Abel seine Kumpels:
Dann kamen Chuck und Gecko auf Geckos Fahrrad, sie hatten Döner dabei. Wir setzten uns auf die Zementröhren und teilten die beiden Döner, danach rauchten wir erst mal eine. War noch viel zu früh, um in die Glasfabrik zu fahren. Aber bald kam Wind auf, und der Rauch von der wilden Müllkippe am Wäldchen drehte in unsere Richtung. Auf der Kippe brannte immer irgendwas, und meistens konnte man den Gestank kaum aushalten.
Chuck meinte, wir sollten zu den Garagen gehn und sprayen. Wir gingen in den Wagen, und ich holte meine neuen Skizzen aus der Kiste. Wir nehmen immer meine Skizzen. Ich kann mir stundenlang Graffiti ausdenken, immer neue, manchmal zeichne ich auch was anderes, aber meistens sind es Entwürfe für Graffiti.
Aber das wird ihm zumindest in der Schule nicht immer zu seinem Vorteil ausgelegt. Und so will Abel auch gar nicht weiter zur Schule gehen – selbst dann nicht, als man ihm einen Kompromiss anbietet und ihn gleichsam auf Bewährung doch versetzen will. Wird er bei seiner Ablehnung bleiben?
Auch sonst passiert bis zum Ende der Ferien noch manches Schöne, aber auch jede Menge Schreckliches. Sogar Tote gibt es. Das hat auch mit einem Feuer in dem Wohnheim für Asylbewerber aus Afrika zu tun.
Und dann ist da noch die Geschichte mit Silly, mit der er zusammen aufgewachsen ist: Sie ist ein halbes Jahr älter als ich. Wir haben schon immer auf derselben Etage gewohnt, solange ich denken kann. Mom und ich, wir hatten zuerst die kleine Mittelwohnung, Wand an Wand mit Sillys Familie. Ich war früher oft tagsüber bei Sillys Mutter, als Mom noch in die Schule ging, und später auch über Nacht, als sie studierte, und noch später, wenn sie abends länger im Malsaal bleiben musste. Sillys Mutter ist Hausfrau, sie arbeitet nur manchmal im Megamarkt als Aushilfe. Silly und ich, wir waren wie Geschwister. Jedenfalls damals. Als wir noch Kinder waren.
Und jetzt soll Silly schwanger sein?
Maria Seidemann wurde 1944 auf einem Güterbahnhof in Engelsdorf bei Leipzig geboren, lebte vier Jahrzehnte in Potsdam und ist am 7. September 2010 verstorben.
Sie war Historikerin und Archivarin, studierte außerdem am Leipziger Literaturinstitut und an der Potsdamer Filmhochschule.
Seit 1974 arbeitete sie als freie Autorin und schrieb Romane, Erzählungen, Drehbücher, Hörspiele, Lyrik, Kinderbücher...
Ihre Bücher geben besser über sie Auskunft, als diese mageren Zeilen.
Auszeichnungen (Auswahl):
1982 Debütpreis des Schriftstellerverbandes der DDR
1986 Theodor-Fontane-Preis
1987 Alex-Wedding-Preis der Akademie der Künste
1988 Internationaler Hörspielpreis Terre des Hommes
1991 Buxtehuder Bulle
1998 Ehm-Welk-Literaturpreis
1992 Stipendium der Stiftung Preußische Seehandlung
1996 und 1999 Stipendium des Kultusministeriums Brandenburg
2002 Stipendium des Sächsischen Staatsministeriums

Wir nahmen die Abkürzung durch das Wäldchen. Der Trampelpfad war moddrig und voller Pfützen, und Simon musste seine Socken ausziehen, weil er Sandalen anhatte. Als wir die Geräusche hörten, blieben wir stehen und horchten. Zuerst lachten wir und machten die üblichen blöden Bemerkungen. In den Büschen am Bahndamm verkrochen sich öfter Pärchen, die sonst nirgends hin konnten. Vor allem Ausländer aus dem Silo mit ihren Freundinnen. Konrad war mächtig hinterher, vor allem achtete er drauf, dass farbige Männer keine weißen Frauen mit ins Silo nahmen. Scheuni sagte, dass er sich was Besseres vorstellen könnte, als bei diesem miesen Wetter im nassen Gras rumzuliegen. Da drang grölendes Gelächter von mehreren Männern aus den Büschen und dann so ein ersticktes Ächzen. Das klang nicht wie ein Liebespaar.
Chuck zischte: "Mann, das is 'n Überfall!"
Gecko griff in die Büsche und zerrte die Zweige auseinander.
Vier Typen machten sich an 'ner Frau zu schaffen. Sie hielten die Frau auf dem Boden fest. Die Frau hatte lange rote Haare. Die Frau war meine Mutter.
Ich schrie, und wir hasteten hin. Die Typen lachten und waren schon weg. Wir hörten ihre Mopeds abfahren.
Mom kniete sich hin und stand auf. Mein Herz schlug wie 'ne Dampframme. Ich fasste nach Moms Hand, aber sie schüttelte mich ab und strich bloß immer an ihren Sachen rum. Sie war total mit Schlamm beschmiert, die Jeans, die Haare, das Gesicht, aber verletzt war sie nicht. Nur ihre Bluse war zerrissen. Und die Skizzenmappe war hin. Scheuni klaubte die Zeichnungen aus dem Modder. Nur noch dreckige, nasse Lappen. Gecko wickelte Mom in seine Jacke, und Simon gab ihr sein Basecap, aber sie sah trotzdem furchtbar aus.
"Was wollten die?", fragte Scheuni entsetzt.
Chuck sagte: "Na was schon."
Simon meinte, wir müssten die Polizei holen.
Ich sagte gar nichts. Ich zitterte. Mom sagte auch nichts. Sie schluchzte und wischte sich mit ihren dreckigen Händen die Tränen ab. Simon zog sein T-Shirt aus, damit sie was hatte, womit sie sich wenigstens ein bisschen sauber machen konnte. Dann gingen wir alle zu uns nach Hause. Der Fahrstuhl hielt gerade im Erdgeschoss, heraus kam die Geldermann mit ihrem Pinscher. Sie ging an uns vorbei, glotzte Mom an und murmelte irgendwas zwischen den Zähnen, es klang wie Geschmeiß.
Scheuni sagte: "Kack ab, Alte."
Mom wollte die Polizei nicht anrufen. Es wäre ja nichts weiter passiert, und sie hätte keine Lust, irgendwelchen Polizisten zu erklären, was sie abends um halb neun in den Büschen am Bahndamm gewollt hätte. Die würden bestimmt fragen, ob sie häufig wechselnden Geschlechtsverkehr hätte.

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